Meine Rede im Plenum am 20. November 2019 zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Errichtung eines Zukunftsinvestitionsfonds sowie des Gesetzentwurfs für den Nachtragshaushalt 2019/2020:
Der komplette Redetext:
- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede
„Brandenburg hat es heute in der Hand, zu einer Gewinnerregion des 21. Jahrhunderts zu werden.“ Das ist der Satz aus der Präambel des Koalitionsvertrages, den ich hier gerne zitiere.
Es kommt jetzt aber darauf an, diese Chance wirklich zu ergreifen. Mit dem Zukunftsinvestitionsfonds können wir die Rahmenbedingungen, die eine solche Entwicklung braucht, weiter verbessern. Uns Grünen ist es aber genauso wichtig den gesellschaftlichen Gewinn dieser Investition so zu organisieren, dass möglichst alle daran teilhaben und dass er nicht auf Kosten der Umwelt und zulasten unserer Kinder geht.
Anrede
Die Herausforderungen für unser Land sind enorm. Um die Klimakrise eindämmen zu können, werden wir die Wirtschaft modernisieren und Wohlstand vom Ressourcenverbrauch entkoppeln müssen. Wir werden unsere Stromversorgung, unsere Häuser und Städte, den ländlichen Raum, die Mobilität zukünftig völlig anders organisieren.
Um wirtschaftlich den Anschluss an neue technologische Entwicklungen zu halten, müssen wir in Forschung und Entwicklung investieren, die Digitalisierung voranbringen und unsere Infrastruktur modernisieren. Um den sozialen Zusammenhalt zu wahren, müssen wir für mehr Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sorgen.
Mit dem Zukunftsfonds wollen wir genau das tun: Zusätzlich in moderne Infrastruktur und Technologien sowie in Klimaschutzmaßnahmen investieren.
Schnelles Netz ist die Grundlage für alles – Industrie, Mobilität, Landwirtschaft, digitale Verwaltung, Teilhabe, ökonomischer Erfolg. Für Unternehmen ist der Breitbandausbau eine harte Standortfrage. Und oftmals sind es gerade die ländlichen Regionen, die von schnellem Internet abgehängt sind. Von der flächendeckenden Grundversorgung, die die Bundesregierung versprochen hatte, sind wir noch weit entfernt. Für die digitale Infrastruktur, Glasfaser und 5G Mobilfunk gibt es erhebliche Investitionslücken.
In den letzten Jahrzehnten wurde unser Land auf Verschleiß gefahren. Die Investitionsquote, also der Anteil vom Haushalt, der für Investitionen ausgegeben wird, sinkt seit Jahren. Gerade in den Kommunen hat der Kapitalstock an Substanz verloren. Es fehlt hier also viel Geld alleine um die Substanz zu erhalten. Viele Kommunen können das nicht finanzieren. Damit werden wir der Verpflichtung nach gleichwertigen Lebensverhältnissen im Land nicht gerecht.
Die Bundes- und Landesregeln zur Schuldenbremse schränken die Möglichkeit der öffentlichen Kreditaufnahme für Investitionen in einem ökonomisch eigentlich unsinnigen Maß ein, da nicht unterschieden wird, ob Kredite für Konsum oder für Investitionen aufgenommen werden. Die Gefahr ist deshalb, dass die Schuldenbremsen zur Investitionsbremse wird und so die wirtschaftliche Zukunft gefährdet ist. Brandenburg ist ein Bundesland, das in den vergangenen Jahren besonders stark unter Zurückhaltung der Landesregierung bei Zukunftsausgaben gelitten hat. Jetzt entsprechend umzusteuern ist also auch volkswirtschaftlich geboten. Es war aber richtig, dass sich Deutschland Regeln gegeben hat, die dafür sorgen, dass es nicht zu exzessiver Verschuldung der öffentlichen Hand kommt. Sie haben – gemeinsam mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank — geholfen, die Verschuldung einzudämmen. Das ist gut so!
In Deutschland ist die Schuldenquote so von 80 Prozent auf unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgegangen. An diesem Erfolg wollen wir festhalten. Aber nicht nur Schulden im Haushalt sind Schulden. Wenn wir jetzt nicht in die Modernisierung unserer Infrastruktur, in Forschung und in Maßnahmen zum Klimaschutz investieren, verspielen wir unseren zukünftigen Wohlstand. Wir stellen daher die schwarze Null tatsächlich in Frage. Es muss für den Staat möglich bleiben, Zukunftsinvestitionen auch durch neue Schulden zu finanzieren. Es wird sich noch zeigen, ob diese Flexibilität unter der Schuldenbremse gegeben ist. Die Schuldenbremse stellen wir jedoch nicht generell in Frage. Wir können uns aber vorstellen, die Schuldenbremse im Rahmen der europäischen Stabilitätskriterien weiterzuentwickeln. Man könnte sie zum Beispiel mit einer verbindlichen Investitionsregel verknüpfen.
Wenn der Staat mehr investiert als sein Vermögen an Wert verliert – wenn er also neue Werte schafft – sollte dies auch durch die Platzierung von neuen Anleihen finanziert werden können. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE, die Schuldenbremse bundesweit zu reformieren, geht in diese Richtung und wir freuen uns auf die Diskussion im Finanzausschuss.
Investitionen sind aber nicht generell gut. Es gibt viele Investitionen, die nicht zukunftsfähig, die sogar schädlich sind. Es muss uns daher gelingen, die Investitionen zu identifizieren, die mittel und langfristig zu einem volkswirtschaftlichen Mehrwert führen, die zukunftsfähig sind. Das ist ja genau auch die Idee hinter dem hier vorgelegten Zukunfts-investitionsfonds. Wir müssen es allerdings noch ausbuchstabieren. Im Gesetz hat das nichts zu suchen. Eine Aussage im Gesetz, welche Investitionen bevorzugt werden, wie von den Freien Wählern und DER LINKEN vorgeschlagen, haben wir bewusst vermieden. Wo fängt man da an und wo hört man damit auf? Gerade die hier vorgeschlagene Formulierung „Landesstraßenbau“ ist ja sehr problematisch und in dieser allgemeinen Form eben nicht zukunftsfähig. Neue Straßen können zwar im Einzelfall nachhaltig und volkswirtschaftlich sinnvoll sein, sind es aber in den aller meisten Fällen heute gerade eben nicht mehr.
Wir starten mit diesem Ansatz für Brandenburg auch etwas wirklich Neues. Viele Details müssen wir erst noch erarbeiten. Die Diskussion darüber, wo die Mittel am zukunftsfähigsten eingesetzt werden können, werden wir noch zu führen haben. Welches sind die Projekte, die uns als Land wirklich nach vorne bringen? Hier wird es noch einen intensiven Austausch geben müssen. Wir werden vermutlich auch Fehler machen und das dann wieder neu justieren müssen. Wichtig ist doch aber, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen und die Herausforderungen jetzt angehen. Jeder Versuch das jetzt schon im Gesetz irgendwie konkreter zu verankern, ist aber zum Scheitern verurteilt. Gerade weil es da keine allgemeingültige Regel geben kann.
Der Änderungsantrag der Freien Wähler zur Flughafenfinanzierung ist unnötig. Natürlich kann der BER nicht in den Genuss dieser Investitionsmittel kommen, denn das wird in § 2 Absatz 2 bereits ausgeschlossen. Dort heiß es: dass die finanzierten Projekte eine besonders günstige Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln haben müssen. Das, mein lieber Herr Zeschmann, kann man von BER wahrlich nicht sagen. Soweit lege ich mich hier jetzt fest, was genau aber mit „besonders günstige Relation“ gemeint ist, müssen wir sehen. Hier brauchen wir noch einen Kriterienkatalog.
Anrede
Wir starten eine Investitionsoffensive, um die kommenden Herausforderungen zu meistern. Wenn wir jetzt beherzt anpacken, sind die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen eine riesige Chance, um nachhaltigen Wohlstand für Brandenburg zu generieren. Wie groß diese wirtschaftspolitische Chance ist, wird auch deutlich, wenn man die Investitionsoffensive makroökonomisch betrachtet. Wir geraten gerade in eine Phase der schwächelnden Konjunktur. Die Weltwirtschaft stockt, die Wachstumsprognosen wurden deutlich nach unten korrigiert. Der IWF hat die Prognose für die Eurozone auf 1,3 % und für Deutschland auf 0,8 % für dieses Jahr gesenkt. Die Bundesregierung geht sogar von 0,5 % im Jahr 2019 und von 1 % für 2020 aus. Nicht nur die anderen EU-Staaten auch der der IWF hat Deutschland in dieser Situation aufgerufen, mehr Schulden aufzunehmen und mehr zu investieren.
Wenn wir die Wirtschaft jetzt ökologisch modernisieren, den Unternehmen eine entsprechende Planungssicherheit geben, mit gezielten Investitionen den Verbrauch unserer natürlichen Ressourcen auf ein global verträgliches Maß reduzieren und ein anderes Verständnis von Wohlstand und Wachstum schaffen, dann können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir investieren in Ökologie und Nachhaltigkeit und stärken gleichzeitig die ökonomische Basis des Landes.
Anrede
Die Region Berlin-Brandenburg kann ohne weiteres über kurz oder lang mit den Hauptstadtregionen Paris oder London gleichziehen, sowohl hinsichtlich der Wirtschaftskraft als auch hinsichtlich der Einwohnerstruktur. Diese Entwicklung wollen wir aber lenken und gestalten. Die Entwicklung hin zu einer gemeinwohlorientierten und zukunftsfähigen Gesellschaft ist nicht selbstverständlich. Umbau- und Anpassungsmaßnahmen müssen mit öffentlichen Investitionen in dieRichtige Bahn gelenkt werden. Mittel- und langfristige Wertschöpfung muss bei der Investitionsentscheidung gegenüber kurzfristigem Nutzen den Vorzug bekommen. Es wird allerdings dauern, die Voraussetzungen für den zügigen Abfluss dieser Mittel zu schaffen. Umso wichtiger ist es, jetzt damit zu beginnen. Investitionen schaffen öffentliche Güter. Sie kosten Geld, aber wenn in das Richtige, das Zukunftsfähige investiert wird, schaffen sie auch einen Mehrwert und Wohlstand. Unabhängig davon führt jede Ausgabe, die der Staat so tätigt, in der Wirtschaft zu Einnahmen, und es werden Jobs geschaffen. Für einen Euro, den wir klug investieren, kann unsere Wirtschaftsleistung um deutlich mehr als einen Euro steigen.
Wir Grüne wollen die Region Berlin-Brandenburg zum Zentrum, zur lnnovationsregion für Nachhaltigkeit machen. Die Voraussetzungen für eine gelungene Energiewende stehen hier in Brandenburg, die Verkehrswende kann zuerst hier gelingen, wo den Anteil der täglichen Bahnpendler zur Arbeit so hoch, wie fast nirgendwo sonst in Deutschland ist. Wir können zeigen, dass diese Nachhaltigkeit nicht nur klimapolitisch geboten, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Coole, zuverlässige Bahnen fahren hier und werden hier entwickelt, Energie dezentral erzeugt, zu jeder Zeit verfügbar, günstig und sauber – das geht in Brandenburg. Elektromobilität für alle und autonomes Fahren kommt natürlich bald vor Allem auch aus Brandenburg. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung.