Aktuelle Stunde „BER-Inbetriebnahme: Es ist mehr Problembewusstsein statt Schönfärberei gefordert!“

Meine Rede im Ple­num am 11. Novem­ber 2020 zur Aktu­el­len Stunde zur BER-Betrieb­nahme auf Antrag der Frak­tion BVB/Freie Wäh­ler:

Quelle: rbb

Der kom­plette Redetext:

- Es gilt das gespro­chene Wort! -

Anrede

Ein Flug­ha­fen ist ein Flug­ha­fen, da macht auch der neue Willy-Brandt-Flug­ha­fen in Schö­ne­feld kei­nen Unter­schied. Flug­hä­fen ver­ur­sa­chen Lärm, Flug­lärm. Flug­lärm ist für viele Anwoh­ner ein gro­ßes Pro­blem. Zwar wurde bereits viel unter­nom­men, um Flug­lärm zu min­dern, jedoch sind wei­tere Maß­nah­men erfor­der­lich, um die Bevöl­ke­rung bes­ser davor zu schüt­zen (UBA). Das gilt ganz all­ge­mein, aber beson­ders für Schö­ne­feld und Umge­bung erst recht, schließ­lich nimmt die­ser Lärm dort jetzt mit der Inbe­trieb­nahme des neuen Groß­flug­ha­fens mas­siv zu. Den Schö­ne­fel­de­rin­nen und Schö­ne­fel­dern hilft es da wenig, wenn man sie dar­auf hin­weist, dass im glei­chen Zug ja auch ein Flug­ha­fen, Tegel, geschlos­sen wird. Dazu kommt, dass der im Plan­fest­stel­lungs­be­schluss vor­ge­se­hene „welt­beste Schall­schutz“ am neuen Flug­ha­fen bis­her in den wenigs­ten Fäl­len auch tat­säch­lich umge­setzt wurde. Jetzt, nach­dem die Fer­tig­stel­lung und Inbe­trieb­nahme des Ber­lin-Bran­den­bur­ger Groß­flug­ha­fens end­lich hin­ter uns liegt, ist es also gut, das zum Thema einer Aktu­el­len Stunde zu machen.

Was lange währt, wird end­lich gut gilt hier ja nicht. Der oft feh­lende Schall­schutz ist ja nicht das ein­zige noch unge­löste Pro­blem die­ses Flug­ha­fens. Dazu kom­men die Finan­zen, der Kli­ma­schutz und natür­lich die Frage, ob sich das Desas­ter irgend­wann wie­der­ho­len kann. Haben wir jetzt eigent­lich die Sicher­heit, dass dort nicht erneut Feh­ler pas­sie­ren die wir am Ende alle teuer bezah­len werden?

Jede Menge Grö­ßen­wahn und eine maß­lose Über­schät­zung der eige­nen Fähig­kei­ten durch die ver­ant­wort­li­chen Spit­zen­po­li­ti­ker in Ber­lin, dem Bund und hier in Bran­den­burg waren für die Bau­pan­nen am BER ver­ant­wort­lich, das ist meine per­sön­li­che Schluss­fol­ge­rung aus den ver­gan­ge­nen acht Jah­ren BER. Dazu kam, dass es keine wirk­li­che Feh­ler­kul­tur in der Flug­ha­fen­ge­sell­schaft gab.

Groß­pro­jekte von den Dimen­sio­nen des Willy-Brandt-Flug­ha­fens gehö­ren zu den anspruchs­volls­ten Bau­vor­ha­ben über­haupt. Über­all kann es da Pro­bleme geben. Es ist eher Regel als Aus­nahme, dass schwer­wie­gende unvor­her­ge­se­hene Ereig­nisse auf­tre­ten. Dabei ist der Bau­herr beson­ders gefor­dert, er kann die Reak­tion auf Unvor­her­ge­se­he­nes nicht dele­gie­ren. Wenn der Bau­herr sei­nen Pflich­ten nicht nach­kommt, dann kön­nen sich die Eigen­in­ter­es­sen der Betei­lig­ten voll ent­fal­ten, was beim BER kata­stro­phale Aus­maße ange­nom­men hat. Das ist übli­ches Lehr­buch­wis­sen. Was mich als lang­jäh­ri­gen Zaun­gast der Flug­ha­fen­bau­stelle nur wirk­lich gewun­dert hat, ist, dass die­ses Wis­sen anschei­nend kom­plett igno­riert wurde. Ver­ant­wort­li­che Poli­tik, die Scha­den vom Volke abwen­det sieht anders aus.

Der Lan­des­rech­nungs­hof hatte 2015 in sei­nem Bericht über die Betä­ti­gung des Lan­des als Gesell­schaf­ter der Flug­ha­fen Ber­lin Bran­den­burg GmbH im Zusam­men­hang mit dem BER-Pro­jekt auf die gemach­ten Feh­ler hin­ge­wie­sen und wich­tige Emp­feh­lun­gen for­mu­liert. Er wies zum Bei­spiel dar­auf hin, wie wich­tig eine beson­ders hohe zeit­li­che Ver­füg­bar­keit und fach­li­che Exper­tise der Auf­sichts­rats­mit­glie­der sei. Daher sol­len Auf­sichts­rats­mit­glie­der ein brei­tes Erfah­rungs­wis­sen und fun­dierte Kennt­nisse in Bezug auf Groß­bau­vor­ha­ben, Finanz­ma­nage­ment, Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­tion und Auf­sichts­rats­tä­tig­keit haben. Die Struk­tu­ren zur Steue­rung der Flug­ha­fen­ge­sell­schaft sind inzwi­schen zwar deut­lich ver­bes­sert wor­den, aber ich denke wir soll­ten uns die Emp­feh­lun­gen des Hofes noch mal genau anse­hen. Drei öffent­li­che Eigen­tü­mer finde ich für ein Unter­neh­men im Wett­be­werb grund­sätz­lich suboptimal.

Anrede

Kom­men wir noch ein­mal auf den feh­len­den bau­li­chen Schall­schutz und damit auf das Thema zurück, wel­ches die Men­schen in der Region rund um den Flug­ha­fen und auch den Son­der­aus­schuss BER von Beginn an beschäf­tigt. Ich finde die Kri­ti­ker der Schall­schutz­po­li­tik des Flug­ha­fens haben recht, wenn sie der Flug­ha­fen­ge­sell­schaft vor­wer­fen, im Rah­men des recht­lich Mög­li­chen den eige­nen finan­zi­el­len Vor­teil im Auge zu haben. Das muss eine GmbH auch. Die Men­schen erwar­ten aber zurecht von einem staat­li­chen Unter­neh­men, dass es sich um die Pro­bleme küm­mert, die man ihnen macht. Schließ­lich haben sie den Flug­ver­kehr vor Ihrer Tür nicht bestellt. Wir fin­den daher, dass der Staat mit mehr Empa­thie auf die Men­schen zu gehen sollte. Er muss sich mehr küm­mern, als das bis­her anschei­nend der Fall war.

Klar ist aber auch, dass ein Flug­ha­fen Lärm macht und dass er dort, wo er jetzt steht, eigent­lich nicht ste­hen sollte, weil dort viele Men­schen beson­ders stark vom Lärm betrof­fen sind. Am Stand­ort kann man lei­der jetzt nichts mehr ändern. Am Lärm, den Flug­zeuge ver­ur­sa­chen, hin­ge­gen schon. Die Ziele des Volks­be­geh­rens zum Nacht­flug­ver­bot wer­den daher auch von die­ser Koali­tion wei­ter­ver­folgt, der Flug­ha­fen sollte unse­rer Mei­nung nach auch nicht wei­ter aus­ge­baut und Strei­tig­kei­ten bei Lärm­schutz­maß­nah­men in Här­te­fäl­len zuguns­ten der Betrof­fe­nen ent­schei­den wer­den. Eine Schieds­stelle für Flug­lärm­be­trof­fene könnte Anwoh­nern Rechts­si­cher­heit brin­gen und die Situa­tion deut­lich entspannen.

Anrede

Eine wei­tere unge­löste Frage, ist der Finanz­be­darf für den Flug­ha­fen. Auch ohne den mas­si­ven Ein­bruch des Flug­ver­kehrs seit der Pan­de­mie wäre der Flug­ha­fen ver­mut­lich nicht in der Lage gewe­sen, seine Kos­ten in Höhe von der­zeit über 6 Mil­li­ar­den Euro zu refinanzieren.

Der BER müsste seine Erlöse um min­des­tens 50 Pro­zent gegen­über der heu­ti­gen Situa­tion stei­gern, damit wenigs­tens der Betrieb des Flug­ha­fens kos­ten­de­ckend wäre. Das sah der Vor-Corona-Busi­ness­plan zwar vor. Inzwi­schen ist der aber längst über­holt. Tat­säch­lich hat die Flug­ha­fen­ge­sell­schaft mas­sive Liqui­di­täts­pro­bleme. Kre­dite wer­den vor­aus­sicht­lich nicht getilgt wer­den kön­nen. Neue Zuschüsse der öffent­li­chen Hand sind erfor­der­lich und die Frage einer Über­schul­dung der Gesell­schaft steht nach wie vor im Raum. Genau das aber wurde im Fach­ge­spräch mit den exter­nen Autoren der TU zum Thema Flug­ha­fen­fi­nan­zen im Son­der­aus­schuss schon dis­ku­tiert. Wir wer­den das auch wei­ter­hin tun. Die aktu­elle Lage ist durch die not­wen­di­gen Corona-Hil­fen der­zeit sehr unüber­sicht­lich. Daher hal­ten wir es für erfor­der­lich sau­ber zu tren­nen. Was sind struk­tu­relle Defi­zite der Gesell­schaft, die zu dau­er­haf­ten Ver­lus­ten füh­ren und wel­che Defi­zite sind auf die Pan­de­mie und die der­zei­tige Unter­aus­las­tung zurück­zu­füh­ren, also nicht von Dauer? Wir Grüne wol­len hier klare Ver­hält­nisse und keine jah­re­lan­gen Zuschuss­dis­kus­sio­nen. Lie­ber ein Ende mit Schre­cken als ein Schre­cken ohne Ende wünscht sich der Finanz­po­li­ti­ker vom Flug­ha­fen. Ant­wor­ten erwar­ten wir hier vom neuen Busi­ness­plan. Auch dar­über wird der Son­der­aus­schuss dann in der gebo­te­nen Aus­führ­lich­keit reden. Den von BVB/Freien Wäh­lern vor­ge­legte Ent­schlie­ßungs­an­trag wer­den wir ableh­nen. Er ist über­flüs­sig, weil alle dort auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen im Son­der­aus­schuss ent­we­der schon bespro­chen wur­den oder dort noch Gegen­stand von Dis­kus­sio­nen sein wer­den. Dafür ist er ja da. Wir haben in der letz­ten Sit­zung ver­nom­men, dass die im Haus­halt eige­stellte Summe für den Flug­ha­fen eine reine Pla­nungs­größe ist. Alle Details dazu seien noch offen und hän­gen von den Ver­hand­lun­gen mit der EU, von der Ent­wick­lung der Flug­gast­zah­len, vom Erfolg der ergrif­fe­nen Kon­so­li­die­rungs­maß­nah­men und auch von poli­ti­schen Wei­chen­stel­lun­gen ab.

Auch der wei­tere Aus­bau im Sinne des Mas­ter­plans 2040 liegt der­zeit auf Eis, das sollte inzwi­schen auch bei Ihrer Frak­tion ange­kom­men sein Herr Stefke.

Anrede

Wie hältst du´s mit dem Flie­gen? Eine nicht nur für uns GRÜNE son­dern die ganze Gesell­schaft zuneh­mend rele­vante Frage. Also Kli­ma­schutz ver­sus Wohl­stand und Frei­heit? Nein, so ein­fach ist es nicht. Klar ist für uns GRÜNE, dass der bil­lige Ein­kauf­stripp mit dem Flie­ger nach Lon­don oder Bar­ce­lona der Ver­gan­gen­heit ange­hö­ren sollte. Es ist ja auch nicht in Ord­nung, wenn sich eine kleine Ober­schicht die­sen Luxus vom Rest der Welt sub­ven­tio­nie­ren lässt. Flie­gen und der Aus­tausch mit ande­ren Län­dern gehört jedoch zu einer welt­of­fe­nen Region wie Ber­lin-Bran­den­burg zwin­gend dazu und das muss auch so blei­ben. Des­we­gen sind wir auch froh, dass die­ser Flug­ha­fen tat­säch­lich fer­tig gewor­den und, wie ich finde, ein wür­di­ges Tor zur Welt gewor­den ist. Die For­de­rung nach einer gerech­ten Finan­zie­rung des Luft­ver­kehrs wird aber auf der Tages­ord­nung blei­ben. Sie wird durch inter­na­tio­nale Ver­hand­lun­gen auch nach und nach Rea­li­tät wer­den. Der Flug­ha­fen tut daher gut daran, sich schon jetzt auf ent­spre­chende Ände­run­gen im Flug­ver­kehr und im Flug­ver­hal­ten ein zu stel­len. Unsere For­de­rung an die Flug­ha­fen­ge­sell­schaft ist daher, das Wachs­tum und den Flug­lärm zu begren­zen, den Flug­ha­fen wirk­lich kos­ten­de­ckend zu betrei­ben und durch ent­spre­chende Inno­va­tio­nen auch ins­ge­samt für mehr Nach­hal­tig­keit des Flie­gens zu sorgen.

Herz­li­chen Dank!